1. Aufs erste wirkt dieses Bild abstoßend

Nur, kann es freundlicher dargestellt werden, wenn jemand um Atem ringt?

Das tut der Mann, dessen Kopf nach vorne gefallen ist, wie bei einem, dem die

Luft ausgeht.

Frisch, wie ein Tisch im Wasser, fühlt sich hier keiner.

Im Gegenteil, der große Fisch, der mit dem aufgerissenen Maul an der

Oberfläche hängt, macht wieder nur sichtbar, wie beklemmend alles ist.

Die Atmosphäre scheint vergiftet zu sein. Der Sauerstoff fehlt. Da lässt

sich kaum noch leben.

So sagt es auch der Titel des Bildes: "Mich dürstet nach reinem Wasser."

Es gibt viele, die auf ihre Weise ähnliches sagen.

Hunger nach Frieden, Sehnsucht nach Klarheit, Durst nach Freundlichkeit.

Das schreit aus vielen Mündern.

Mich dürstet. So hat noch einer gerufen. Der, der damals am Kreuz hing.

Aber ihn dürstete nicht nach dem, was sie ihm dann an die Lippen hielten.

Auch nicht nur nach guten Worten. Er schrie nach Gott:

"Mein Gott, warum hast du mich verlassen?"

"Ohne Gott bin ich ein Fisch am Strand .Ohne Gott, ein Tropfen in der Glut",

schrieb Jochen Klepper. So ernst ist das also.

Der Mensch auf unserem Bild scheint mit dem Fisch ganz verwachsen zu sein.

Er sieht auch so aus, als warte für beide das gleiche Geschick. Sie drohen zu

gehen, wenn das was sie brauchen, ausbleibt.

Nun wissen wir, dass der Fisch ein uraltes Symbol des Lebens und ein Sinnbild

Christi ist.

Sollte es möglich sein, dass er selbst mitten in der Atemnot unseres Lebens war?

 

2. Wenn man die Zeichnung einige Zeit betrachtet, fällt noch etwas auf:

Der Mann hier, wie an einen Balken gebunden, im Bild hängt, scheint nicht

nur deshalb so weit nach vorne gebeugt zu sein, weil ihm das Atmen Mühe

macht. Es sieht so aus, als trüge er den schweren Fischkopf auf seiner Schulter-

dorthin, wo der wieder zu Sauerstoff kommt.

Der, der selbst am Zusammenbruch ist, schleppt also nicht nur seine eigene

Last. Er trägt die Not der Kreatur mit, und die kann wieder leben.

So bekommt der Grätenfisch am unteren Ende des Bildes einen eigenen Sinn.

In alten Kreuzigungsbildern war es üblich, am Fuß des Kreuzes einen Toten-

schädel abzubilden, als Zeichen dafür, dass der Tod überwunden ist.

Christus, so könnte hier nun gesagt werden, hat alle, die an der giftigen

Atmosphäre der Feindschaft und der Lüge, der Gleichgültigkeit und des

Hasses leiden, auf seine Schultern genommen. Er ist dabei umgekommen.

Doch sie können leben.

     

3. Litzenburger hat unsere Zeichnung 1974 nach einer Fernsehsendung

über den sterbenden Bodensee gemacht. So bekommt der Titel einen realen

Hintergrund: "Mich dürstet nach reinem Wasser." So erhält auch die

Kreuzigung einen neuen Bezug.

Christus leidet mit allen Geschöpfen Gottes. Kein Wunder, dass seine Arme

Übergroß erscheinen. Sie umfangen die ganze Kreatur.

Von ihr schreibt Paulus, dass sie auf das Offenbarwerden der Töchter

und Söhne Gottes warte. Der eine, der Erste, ist bereits sichtbar geworden.

Er sagt, dass bei ihm lebendiges Wasser zu finden ist. Für jeden von uns,

durch uns hindurch, für die ganze Welt. Denn auch der Satz gilt: Wer an

mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen

Wassers fließen.

 

Heiliger Geist, heile die Zerrissenheit in deiner Kirche, heile die Zerrissenheit

in deiner Welt.

Sei du die gute Atmosphäre, in der Menschen wieder miteinander lachen

Und singen, trauern und weinen leben und sterben könne, in der Widerworte

zu gemeinsamen Worten werden, in der Widersprüche das gemeinsame Wachsen

fördern, in der Widerstände gemeinsames Lernen ermöglichen. Heile die Gemein-

schaft, die zwischen uns Menschen, den Pflanzen, Tieren, den Landschaften

und Gewässern zerbrochen ist.

Heile die Gemeinschaft, die zwischen Armen und Reichen, Gesunden und

Kranken, Alten und Jungen zerstört ist.

Heiliger Geist, erwecke unser totes verkümmertes Leben.

Begeistere es, durchdringe es, heilige es.

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